Das könnten die Zutaten sein, die Du hast, wenn Du eine Pizza wärst:

Mais aus Chiapas (Dein Auslandsjahr),

Thunfisch aus Favignana (Deine Ferien in Deiner Kindheit),

Spagel aus Beelitz (Da bist Du aufgewachsen),

Jamón aus Andalusien (Deine Nachbarn),

Feta aus den Peloponnes (Dein Freund/Freundin)-

Und was hat Pizza mit „transkulturell sein“ zu tun?

Wenn ich davon spreche, dass Transkulturalität unsere heutige Welt am besten beschreibt,

werde ich immer wieder gefragt:

Was ist eigentlich Transkulturalität?

Wir hören von multikulti oder interkulti, aber von transkulti hört man nicht so viel.

Was ist der Grund dafür? Warum sprechen so wenige über Transkulturalität?

Na, das frage ich mich auch immer.

Ich vermute, man spricht seltener darüber,

weil es keine klaren definierten Kategorien gibt,

und das erschwert es wahrscheinlich, sich einiges darunter vorzustellen,

insbesondere, bei individueller Transkulturalität.

Also auf den einzelnen Menschen bezogen.

Dabei ist es ganz einfach.

Man stellt sich einfach eine Pizza vor- das sind wir (wir als Mensch):

Der Teig ist das, was wir sind, wenn wir geboren werden:  unsere Basis

und dann kommt alles darauf, was man so erlebt hat und uns beeinflusst hat.

Also, das, was Du am Anfang des Artikels gelesen hast.

Manche Menschen haben eine große Vielfalt an Dingen auf der Pizza, andere etwas weniger, aber keiner bleibt ein einfacher Teig.

Der Ausdruck und die Definition von Transkulturalität wurde hier in Deutschland vom Philosophen Prof. Dr. Wolfgang Welsch geprägt.

Wenn Du Zeit hast, Dir diese Vorlesung anzuschauen (ca. 1 Stunden + Q&A- und  super interessant), empfehle ich es Dir wärmsten.

Kurz gefasst sagt er, dass viele Menschen sich noch an diese Vorstellung orientieren, dass Kultur etwas Geschlossenes ist.

Also eine Kultur ist wie eine Kugel.

Das bedeutet, in dieser Kugel sind alle gleich und grenzen sich von außen ab.

Dieses Kulturmodell wurde vom Philosophen Herder geprägt und ist immer noch sehr präsent.

Aber, mal ehrlich, hast Du das irgendwo schon gesehen?

Eine Gruppe, die sich abgrenzt und von keinen anderen kulturellen Einflüssen betroffen ist?

Homogen waren Gesellschaften nie.

(Überhaupt, sollte man sich auch manchmal fragen, wie man Kultur definiert.

Wenn wir die deutsche Kultur sagen, zum Beispiel. Was ist das überhaupt?

Und, hat sich die Kultur Jugoslawiens einfach so in Luft aufgelöst, als Jugoslawien nicht mehr existierte?

So- das war ein kleiner Frageexkurs.)

Regionen wurden immer von anderen Einflüssen durchdrungen, immer beeinflusst.

Also bitte nicht in Kugeln denken!

In Deutschland gibt es schon seit Jahren Buddhismus und Meditationstrends, Akkupunkturbehandlungen und Therapien, die ihren Ursprung woanders haben,

sowie viele Tanzkurse, Kampfsportarten, die ursprünglich aus anderen Regionen kommen.

Viele Menschen aus anderen Ländern ziehen hierher.

Wir lernen in der Schule Fremdsprachen, zumindest eine, Englisch.

Netflix macht, dass alle über die gleichen US-amerikanischen Serien sprechen.

Musik und Essen sind sowieso Fusionen geworden.

Das Reisen ist einfacher und man übernimmt Essensweisen, Verhaltensweisen, Wörter aus anderen Sprachen in seinen eigenen Alltag.

Überall, wo Du hinschaust, siehst Du Transkulturalität.

Treffend dazu, zitiert Wolfgang Welsch in seiner Vorlesung Edward Said:

„Alle Kulturen sind hybrid, keine ist rein, keine ist identisch mit einem reinen Volk, keine besteht aus einem homogenen Gewebe.“

Edward Said

Jetzt kann man mir auch berechtigt sagen:

„Ja, Rayane. Das wissen wir alles. Das ist eine Beschreibung der Realität.“

Klar, wissen wir das, aber irgendwie spricht man darüber nicht so richtig.

Niemand spricht über die „richtige“ kulturelle Vielfalt.

Ich höre ständig nur, die deutsche Kultur, die türkische Kultur, die albanische Kultur usw…

Identitätsmix mit unterschiedlicher Gewichtung

Interessant wird es auf individueller Ebene.

Wir können uns alle einigen, dass in der heutigen globalisierten Welt,  die Menschen immer transkultureller werden.

Und wahrscheinlich sind wir transkultureller als wir denken.

Wir greifen bei unserer Identitätsbildung auf verschiedene kulturelle Muster zurück.

Wir haben bestimmte Muster mit einigen Menschen gemeinsam, und unsere anderen kulturellen Elemente können komplett unterschiedlich sein.

Ich bin also eine andere Pizza als meine zwei Brüder.

Denn obwohl wir alle drei in der gleichen Familie aufgewachsen sind und ähnliche Erfahrungen in der Kindheit und Jugend gemacht haben (na ja…vielleicht doch nicht so ähnlich?), haben wir, nachdem wir von zuhause ausgezogen sind, verschiedene kulturelle Erfahrungen gemacht.

Wolfgang Welsch geht ebenfalls auf verschiedene Gewichtungen und Anordnung der kulturellen Elemente ein.

Das finde ich auch sehr interessant.

Es können also 2 verschiedene Personen die gleichen kulturellen Elemente haben, oder auf gleiche Muster zurückgreifen,

aber die Gewichtung oder Anordnung kann bei beiden jedoch komplett unterschiedlich sein.

Eine Person kann also die gleichen kulturellen Elemente haben wie ich (hypothetisch), aber die Anordnung ist dabei ganz anders.

(Er spricht davon, dass es ein Hauptelement geben kann, das lokal, national, ethnisch sein kann, also stark hervorgeht.)

Mein Hauptelement kann bei der anderen Person an vierter oder fünfter Stelle sein.

Fazit:

Wir sind also verschiedene Pizzen mit verschiedenen Saucen.

Wir haben die gleichen Zutaten oder komplett unterschiedliche Zutaten haben.

Manche Zutaten sind bei einem mehr vorhanden, andere Zutaten sind bei anderen weniger.

Wenn wir die gleichen Zutaten haben, können wir über diese Ebene „connecten“ und uns über das Gemeinsame verstehen.

Wir können über die gemeinsamen Zutaten sprechen und dann vielleicht uns unbekannte Zutaten anschauen und entdecken.

Und je mehr kulturelle Erfahrungen wir machen, desto mehr Zutaten legen wir auf unsere Pizza und je besser können wir uns mit den anderen mit gleichen Zutaten austauschen.

Und… was bist Du für eine Pizza? Und welche Zutaten hast Du schon?